Habt ihr schon vom Waldbaden gehört? Nein? Dann wird es höchste Zeit. Im Gegensatz dazu, wie es der Name vielleicht vermuten lässt, braucht ihr kein Badezeug einzupacken. Beim Waldbaden geht es einzig und allein darum, in das Ökosystem Wald „einzutauchen“ und die Umgebung ganz bewusst mit allen Sinnen zu genießen. (Titelfoto: © BDSI, Nils Hasenau)
Alle Sinne einsetzen
Vor allem jetzt im Herbst bieten sich euch unzählige Möglichkeiten, das Waldbaden einmal auszuprobieren. Schaltet eure Musik aus, nehmt die Kopfhörer ab und taucht ein in die natürliche Musik eines Waldes. Lauscht dem Zwitschern der Vögel, dem Rauschen des Windes durch die Bäume oder dem leisen Plätschern eines Bachs. Hört hin, wie das Laub unter euren Schritten raschelt und heruntergefallene Zweige beim Auftreten zerknacken. Spürt wie die frische Luft durch eure Lungen strömt und euer Blut mit jedem Schritt stärker durch euren Körper fließt und ihn langsam gegen den Herbstwind erwärmt. Fühlt die Weichheit von Moos zu euren Füßen oder die trockene, schuppige Rinde eines Baumes. Riecht wie der letzte Regenschauer eure Umgebung verändert hat und wie sich heruntergefallene Blätter langsam mit der Erde vermischen. Schmeckt die natürliche Waldluft auf eurer Zunge und genießt es einfach zu sein. Nehmt ihr die typischen Waldaromen wahr?
Fotos: © BDSI, Nils Hasenau
Therapeutische Wirkungen
Mediziner gehen inzwischen davon, dass dem Wald unmittelbar „therapeutische“ Wirkung zukommt. Er wirkt sich in aller Regel „entstressend“ aus, also beruhigend und entspannend. Dafür müssen wir uns allerdings bewusst auf ihn einlassen – also: nicht hindurchjoggen, nicht durchradeln oder den Kopf beim Spaziergang mit kreisenden Gedanken voll haben, so dass wir ohnehin unsere Umgebung kaum wahrnehmen. Waldbaden soll bei achtsamem und wiederholtem Erleben nicht nur unser Stressempfinden reduzieren, sondern auch den Blutdruck senken und die Stimmung aufhellen können. Wer langsam und mit allen Sinnen durch den Wald schreitet, nimmt auch die Waldaromen, die sogenannten Terpene, intensiver wahr. Eine solche „Aromadusche“ soll pharmakologische Effekte haben und unsere Abwehrkräfte stärken. Mittlerweile forscht auch die Charité in Berlin über die Wirkungen des Waldes auf unsere Gesundheit. Die Ärztegesellschaft für Präventionsmedizin und klassische Naturheilverfahren, Kneippärztebund e.V., Bad Wörishofen, bietet Fortbildungen zum Wald-Gesundheitstrainer an. Die Weiterbildung findet in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung (IBE) der Ludwig-Maximilians-Universität München statt. Und ausgebildete Waldtherapeutinnen und -therapeuten sollen etwa gestressten Menschen dabei helfen, mit körperlichen, sensorischen und mentalen Übungen unter Anleitung die Sinne gesundheitsfördernd zu schulen.
Foto: © BDSI, Nils Hasenau
Die japanische Altersvorsorge: Shinrin-yoku
In Japan hat es das sogenannte Shinrin-yoku schon in den 1980-er Jahren in die medizinische Forschung und Vorsorge geschafft. Es gibt heute Zentren für „Waldtherapie“, und an japanischen Universitäten könntet ihr euch für eine fachärztliche Spezialisierung in „Waldmedizin“ einschreiben. Am bekanntesten und begehrtesten sind für viele Japaner übrigens die extra angelegten Wege des Nationalen Erholungswaldes von Akasawa.
Die Vorteile und Wirkungen des Waldbadens haben es also inzwischen nicht nur nach Deutschland geschafft, sondern sie erreichen auch den medizinischen Betrieb und werden Teil der schulmedizinischen Forschung.
Wenn ihr euch eingehender mit dem Thema beschäftigt, werdet ihr von Heilwäldern und geplanten Waldbadepfaden lesen. Aber bevor ihr das Ganze kopfschüttelnd als neueste Vermarktung vom klassischen Spazieren gehen abtut, solltet ihr es vielleicht erst einmal selbst ausprobieren. Das geht sogar schon in einem ersten Schritt daheim vor dem Computer. Klickt dieses Video an und erlebt eine erste Vorstellung vom Waldbaden. Zum Thema sind auch zahlreiche Bücher auf Deutsch erschienen.